«Es war eine Achterbahn der Gefühle»
Montreux bekommt ein Geburtshaus – dank Crowdfunding. Auf lokalhelden.ch haben drei Hebammen mit dem Projekt «Maison de Naissance Les Roseaux» über Fr. 90'000.- für die Realisierung ihres Traums gesammelt. Ein Interview mit der Projekt-Starterin Céline Hertzeisen Schumann über die Finanzierung dieses Grossprojekts.
Wo hatte die Idee mit dem Geburtshaus seinen Ursprung?
«Die Idee stammt aus existierenden persönlichen Projekten der Beteiligten. Ich habe meinerseits viel Zeit, Energie und Leidenschaft in das Geburtshaus-Projekt des Unispitals Waadt investiert. Da das Projekt nicht vorankam, sagte ich mir, dass wir nicht länger warten können und die Sache selbst in die Hand nehmen müssen.»
Wie seid ihr beim Spendensammeln vorgegangen?
«Wir haben begonnen in unserem Umfeld darüber zu reden. Genauer gesagt, haben wir mit dem nahen Umfeld darüber geredet, unseren E-Mail Kontakten, Kunden und Kollegen. Ich denke das erste Drittel der Summe kam vor allem durch diese Bekanntschaften zusammen.»
«Danach haben uns die Medien kontaktiert. Ein erster Artikel wurde in der Zeitung «Le Régional» publiziert. Leider war zu diesem Zeitpunkt lokalhelden.ch in der Romandie noch relativ unbekannt, weshalb wir von diesem anonymen Publikum keine Spenden erhielten. Es waren vor allem die sozialen Medien, die uns geholfen haben das Projekt bekannt zu machen. Auf unserer Facebook-Seite haben wir Artikel verfasst, die schnell geteilt wurden.»
«Das letzte Drittel der Summe kam durch unbekannte grosszügige Spender zusammen. Wir möchten hier die Unterstützung des Kiwanis Club des Alpes Vaudoises betonen. Nach dem Erreichen der Finanzierungsschwelle von 70‘000.-, gab eine unglaubliche Welle der Grosszügigkeit. Personen, die bis anhin am Projekterfolg gezweifelt haben, bekamen nun auch noch Lust zu spenden.»
Nach 4 Monaten ist euer Projekt nun zu Ende und ihr habt über 90‘000.- gesammelt. Wie fühlt sich das an?
«Es ist ein grosser Glücksmoment. Vielleicht auch das Gefühl, dass wir noch mehr hätten sammeln können. Aber gleichzeitig verspürte ich eine grosse Angst, da das Geld ja noch nicht physisch da war und dass wir immer noch einen Rückschlag erleiden könnten. Und jetzt gibt es kein zurück mehr. Es war also eine Achterbahn der Gefühle. Wir dachten wir haben’s nun geschafft, aber es geht jetzt erst richtig los.»
War es eine stressige Zeit?
«Am Anfang ja, da wir uns in eine völlig neue Sache gestürzt hatten. Niemand von uns hat je ein Crowdfunding-Projekt gemacht.»
Habt ihr jemals am Projekterfolg gezweifelt?
«Wir hatten mehrmals Zweifel am Projekterfolg. Die grössten Zweifel hatten wir beim Start und in der Mitte, als keine Spenden mehr reinkamen.»
Was waren die prägendsten Momente für euch in diesen 4 Monaten?
«Ich denke da gibt es vier. Das Erscheinen des Zeitungsartikels im „Le Régional“ war das erste Highlight. Wir waren damals noch nicht vorbereitet das Projekt in die Finanzierungsphase zu schicken, mussten es aber doch tun. Wir haben uns also ins Abenteuer gestürzt und wussten, dass es von jetzt an Ernst galt.»
«Etwa in der Hälfte der Finanzierungsphase war es schwierig für uns, da wir keine Spenden mehr erhielten. Wir stellten uns die Frage: „Ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt?“ Wir mussten also warten, was uns ein bisschen aus dem Tritt gebracht hat und im Team für ein paar Spannungen über die Zukunft des Crowdfunding-Projekts gesorgt hat.»
«Dann kam das dritte Highlight mit den sehr grosszügigen Spenden von unbekannten Personen oder unerwarteten Spenden. Das letzte Highlight war das Erreichen der Finanzierungsschwelle von 70‘000.-. Wir haben allen eine SMS geschickt und sind zur Feier des Tages ins Restaurant essen gegangen. Ich habe sogar Blumen von meinem Mann bekommen.»
Wie wurdet ihr wahrgenommen in Montreux? Habt ihr viele Reaktionen von Leuten erhalten?
«Es war schon speziell. Nach dem Erscheinen des Zeitungsartikels mit dem Video auf 20min, hatte ich den Eindruck dass mich die Leute auf der Strasse anschauten und sich dachten « ah! Die hab‘ ich doch schon irgendwo gesehen!“ Vielleicht habe ich mir das aber auch nur eingebildet. Wir haben unzählige ermutigende Nachrichten nach den Artikeln erhalten, aber auch Kritik am Projekt. Das waren aber Punkte, die wir selbst oftmals besprochen hatten.»
Was würdet ihr rückblickend anders machen?
«Ich würde vor Projektstart einen Kommunikationsplan ausarbeiten. Da wir das Projekt nach den Zeitungsartikeln etwas überstürzt starten mussten, haben wir einfach intuitiv reagiert.»
Wie geht es nun weiter mit dem Projekt?
«Als nächstes finalisieren wir die die Unterlagen für das Baugesuch, die wir der Gemeinde von Montreux demnächst vorlegen werden. Im April wollen wir mit dem Bau starten, dieser dauert 6 bis 8 Wochen. Wenn alles gut geht, wollen wir das Geburtshaus im Verlauf des Junis eröffnen.»
Hast du dich vom lokalhelden-Team gut unterstützt gefühlt?
«Oh ja! Die Unterstützung war top. Bereits zu Beginn, als ich zum ersten Mal angerufen habe, war man entzückt über das Projekt. Falls wir zu dem Zeitpunkt gezweifelt haben, taten wir es spätestens danach nicht mehr. Sie haben uns Zuversicht gegeben und uns die Funktionsweise von Crowdfunding und der Plattform im Detail erklärt. Sie waren immer verfügbar, wenn wir fragen hatten. Tausend Dank an dieser Stelle!»
Was rätst du zukünftigen Grossprojekten?
«Ich empfehle ihnen zu aller erst an das Projekt zu glauben. Dann empfehle ich ihnen einen Kommunikationsplan zu entwerfen und die sozialen Medien möglichst gut zur Verbreitung einzubinden. Während der Suche nach Fans und Spender würde ich verstärkt Crowdfunding als Finanzierungsform erklären, statt nur vom Projekt zu reden. Um eine hohe Finanzierungsschwelle zu erreichen, denke ich, dass es wichtig ist sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.»
«Ausserdem ist es wichtig, dass das Projekt nicht nur ein eigener Traum ist. Es muss dem Allgemeinwohl zu Gute kommen, die Spender berühren, also ein Bedürfnis der Bevölkerung befriedigen. Wenn das erfüllt ist, ist es einfacher institutionelle Sponsoren zu finden. Dann ist es auch wichtig ein FAQ zu erstellen, in welchem Kritiker und Zweifler Antworten zu ihren Bedenken finden.»
«Zu guter Letzt braucht es ein starkes Team hinter dem Projekt, denn so etwas schafft man nicht alleine. Während der Finanzierung ist es sehr wichtig sich die Zeit für Diskussionen über Entscheidungen zu nehmen. Es geht darum sich für die Spendersuche abzusprechen oder die Rollenverteilung anzupassen.»